Erinnerungen des 1. Kommandeurs des KRR-18

Danach gab ich den Befehl zur Rückverlegung in das Feldlager, wo uns bereits Konteradmiral Lothar Heinecke, der Leiter des Raketenschießabschnitts der Volksmarine, erwartete. Er hatte vom Gefechtsstand aus, unsere beiden Raketenstarts beobachtet, war ebenfalls begeistert und gratulierte uns. Zum festlichen Abendessen genehmigte ich für unsere gesamte Truppe je eine Flasche Bier. Da wir sehr abgespannt von dem anstrengenden Tag und der hohen Belastung waren, wurde nicht lange gefeiert. Für den nächsten Tag war bereits der Beginn der Rückverlegung geplant.

Beim Abschied, unsere Freunde waren selbstverständlich alle auf der Pier, überreichte mir Anatolij Otrakowskij noch ein Geschenk, ein Zebrahemd. Er kannte meine Wünsche gut, denn ich hatte zwar schon eins aus Baku, aber das war nicht von der Marineinfanterie! Mein Marineinfanterie-Zebra-Hemd trage ich übrigens noch heute beim Segeln und gewaschen wird es nur unter außerordentlichen Vorsichtsmaßregeln.

Erst beim Einsteigen in meinen Kübel „UAZ-469“ nach dem Entladen des Landungsschiffes auf der Pier in Rostock entdeckte ich noch ein weiteres, besonderes Abschiedsgeschenk meines Freundes, des Kommandeurs der GMIBr. Mit Wissen meines Fahrers, Stabsmatrose T. Günther, hatte Anatolij eine ganze Ladung Johanniskraut hinten in meinen Kübel einpacken lassen. Ich freute mich und wir lachten alle herzlich darüber. Zu Hause trocknete ich alles auf dem Balkon, zerkleinerte es dann und trank noch jahrelang diesen Tee. Dabei dachte ich immer an die Freunde in Baltijsk und freute mich auf das nächste Wiedersehen. In unserem Objekt Schwarzenpfost angekommen, führten wir eine umfassende Auswertung durch, vor allem bereits in Sicht auf die noch bessere Vorbereitung unseres 2. Raketenschießabschnitt im nächsten Jahr. Insgesamt wurden es dann unter meiner Leitung vier erfolgreiche Raketengefechtsschießen. Dabei waren alle gestarteten acht Raketen Volltreffer, eine Demonstration der hohen Meisterschaft aller Angehörigen unseres Regiments!

Anfang September, zur Kommandostabsübung „Herbstwind 84“, musste ich auf der Grundlage eines Befehls des Chefs der Volksmarine das erste Mal meinen Führungspunkt (FP) als Führungspunkt des Chefs der Küstenraketentruppen (KRT) auf seinem Hauptgefechtsstand (HGS) entfalten. Der Notausstieg des Bunkers, in dem der HGS des STMCVM untergebracht war.

Dazu einige grundsätzliche Bemerkungen. Bei der großen Kampfstärke der Küstenraketentruppen war das Fehlen eines eigenen Führungsorgans im Stab der Flotte für mich völlig unverständlich. Für die anderen Stoßkräfte existierten sie. Die 6. Flottille, Schiffsstoßkräfte, hatte selbstverständlich einen umfangreichen Stab und sogar einen geschützten Gefechtsstand bei Kap Arkona auf der Insel Rügen. Ebenso hatten die Marinefliegerkräfte, im Bestand des Marinehubschraubergeschwader 18 und des Marinefliegergeschwaders-28, nur im Gefecht unterstellt, einen Chef mit Stab im Stab der Flotte. Für das für die Führung der Küstenraketentruppen ebenfalls notwendige Organ hätte es eine ausreichende Anzahl von qualifizierten Offizieren im Stab gegeben. Auch dieser Mangel ist wohl zurückzuführen auf die nicht durchdachte Planung bei der Aufstellung des Küstenraketenregiments 18. Die Folgen dieses Fehlers waren sehr vielschichtig. Als das Problem auffällig wurde, erhielt ich als Regimentskommandeur den Befehl, ab sofort ständig meinen Führungspunkt bei Auslösung höherer Stufen der Gefechtsbereitschaft auf dem HGS des Chefs der Volksmarine zu entfalten. Das war die einfachste, aber schlechteste Lösung des Problems. Sie bedeutete, dass der Kommandeur von seinen Kampfeinheiten im Gefecht isoliert wurde, aber auch sie von seiner Führung, ein eigentlich unhaltbarer Zustand. Da Widerspruch gegen einen bereits erteilten Befehl des Chefs der Volksmarine zwecklos war, ich erinnere an § 1 und § 2, musste ich dieses Problem auf andere Weise lösen. Der befohlene Führungspunkt des Chefs der KRT auf dem HGS wurde mit minimaler Besatzung entfaltet, der Kommandeur und zwei Stabsoffiziere, Korvettenkapitän Detlef Herms und Kapitänleutnant Andreas Herfter. Dadurch hatte ich persönlich eine umfangreiche Arbeit zu leisten. Aber so wurde dem Regiment nur eine geringe Anzahl von Kräften, die zur direkten Führung der Kampfeinheiten dringend gebraucht wurden, entzogen. Gleichzeitig befahl ich für die Zukunft, im Gefechtseinsatz den eigentlichen Führungspunkt (FP) des Kommandeurs in den befohlenen Stellungsraum Rostocker Heide zu entfalten. Der Unterschied zu vorher bestand nur darin, dass dieser jetzt Reserveführungspunkt (RFP) des Kommandeurs des Küstenraketenregiments 18 genannt und durch den Stabschef geführt wurde. Dieser führte auf der Grundlage meiner Befehle vom FP auf dem HGS die Einheiten. In Kurzform: Der Regimentskommandeur auf seinem FP führte als Chef der Küstenraketentruppen die Kampfeinheiten des Regiments über den Stabschef, Regimentskommandeur in Vertretung, auf dem RFP. Dem Stabschef standen dafür die anderen Stellvertreter mit ihren Unterstellten sowie der Stab mit Führungs- und Nachrichtenzug mit 2 Stabskom „LO-1800“ („Schmetterling“), 1 Funkstation „R-140“ auf dem Kfz „ZIL-131“ und 2 Funkstationen „R-142“ auf den Kfz „GAZ-66 “ zur Verfügung.

Der Führungspunkt des Chefs der Küstenraketentruppen auf dem HGS (Bunker) Meldung der Lage an den Chef der Volksmarine, links Korvettenkapitän D. Herms bei der Arbeit (unsere Lagekarte wurde vom KVM unkenntlich gemacht vor der Ausgabe des Fotos an mich.

Dieses durch mich befohlene Führungssystem war notwendig, weil mir auf dem HGS nicht die erforderlichen Nachrichtenverbindungen zur Verfügung gestellt wurden. Außerdem musste beim Gefechtseinsatz mit Störung und Ausfall der eingeschränkten Nachrichtenverbindungen gerechnet werden. Das bedeutete auch, dass der Stabschef jederzeit bereit sein musste, die direkte Führung aller Einheiten des Regiments zu übernehmen. Ihn dazu in kürzester Zeit zu befähigen, war meine dringlichste Aufgabe. Nach einigen zusätzlichen Trainings und entsprechender Ausbildung konnte ich beruhigt auf dem HGS den FP des Chefs der KRT entfalten. Ich wusste, dass der Stabschef, Kapitänleutnant W. Schädlich, bereit und fähig war, das Regiment in jeder Lage ohne Qualitätsverlust zu führen. Das traf übrigens auch auf den normalen täglichen Dienst zu, wenn ich zum Beispiel Urlaub hatte.

Der HGS des Chefs der Volksmarine war ein Betonbunker unter der Erde, angeblich atombombensicher, im Recknitztal zwischen den Städten Laage und Tessin. Alles was damit zusammenhing, war höchste Geheimhaltungsstufe. Der An- und Abtransport erfolgte zentral mit Bussen für einen begrenzten Personenkreis und nur nachts. Bei einer Kommandostabsübung lag der Schwerpunkt immer auf der Arbeit der Führungsorgane. Da es das erste Mal war, wir uns erst einarbeiten mussten, und außerdem nur geringe darstellende Kräfte des Regiments beteiligt waren, hatte ich außer meinem Stellvertreter RD alle Stellvertreter mitgenommen, dazu 3 Offiziere des Stabes. Wir richteten uns schnell ein, stellten die Funktionstüchtigkeit der Geräte her, Telefon und WL. Der Nachrichtenoffizier, Oberleutnant Ralf Jähnig, kümmerte sich um die Funkverbindungen zu den unterstellten Einheiten. Allerdings war für unsere Arbeit nichts vorbereitet. Außer dem Telefon zum Operativen Diensthabenden des Regiments bestanden keine direkten Verbindungen zu den entfalteten Einheiten.

Wir versuchten alles, um positive Veränderungen zu erreichen, aber leider erfolglos. Oberleutnant R. Jähnig, arbeitete mit Hochdruck und ich versuchte über den Leiter des HGS Unterstützung zu erhalten. Als das auch nicht half, trug ich meinem Chef diese Probleme vor. Aber wir wurden wie alle anderen Stationen ganz normal eingeordnet. Es interessierte niemanden, dass wir als Einzige unsere Kampfeinheiten direkt führen mussten und dafür zusätzliche Nachrichtenverbindungen benötigten. Dieser völlig unbefriedigende Zustand änderte sich unverständlicherweise auch in den folgenden Jahren nicht. Das bedeutete, dass ich bei allen Übungen unsere Einheiten theoretisch auf der Karte ununterbrochen führte, aber praktisch mit Störungen und Unterbrechungen, also auf keinen Fall ununterbrochen. Das hätte selbstverständlich auch für einen möglichen tatsächlichen Gefechtseinsatz gegolten!

Aber dafür hatten wir ja den Stabschef mit dem Reserveführungspunkt. Dass an der Beseitigung dieser angeführten Mängel nicht gearbeitet wurde, beweist ein Bericht über 1986 auf dem HGS durchgeführte Trainings. Darin heißt es, dass die vorhandenen Funkmittel eine effektive Führung der Küstenraketentruppen nicht gewährleisten. Das war umso unverständlicher, als für die nachrichtentechnische Sicherstellung des HGS das Nachrichtenbataillon 18, später Nachrichtenregiment-18, verantwortlich war. Das verfügte selbstverständlich über alle dafür notwendigen Kenntnisse sowie Personal und technischen Mittel.

Ich persönlich arbeitete nicht gern mit meinem Führungspunkt auf dem HGS. Dort war ich führungsmäßig von meinen Truppen getrennt, so dass ich keinen direkten Einfluss auf ihre Handlungen nehmen konnte. Außerdem waren zu viele hohe Vorgesetzte auf engstem Raum anwesend, der Chef der Volksmarine und seine Stellvertreter, und deren Stellvertreter u.a. Ständig kam jemand zur Kontrolle oder zu Gesprächen und störte damit möglicherweise ungewollt. Der räumliche Abstand zum Vorgesetzten, sonst nur über Nachrichtenverbindungen, war einfach viel zu gering. Das bedeutete in dieser Situation für den Unterstellten eine außerordentliche Belastung. Demzufolge musste immer hochkonzentriert gearbeitet werden. Der Schwerpunkt der Arbeit lag auf der Theorie, militärwissenschaftlichen und administrativen Fragen, also zum Teil waren das unrealistische „Sandkastenspiele“. Das Ziel wurde immer erreicht und die Aufgaben immer erfüllt, ohne Havarien, Störungen, Ausfälle, höchstens imitierte durch Schiedsrichtereinlagen. Übrigens musste der Kommandeur des Küstenraketenregiments 18 mit seinem Führungspunkt laut Dienstvorschrift DV 246/0/027 „Gefechtseinsatz der Küstenraketentruppen“, erschienen erst ein Jahr nach Indienststellung des Regiments, auf der Grundlage des Gefechtsbefehls des Chefs der Flotte für den Gefechtseinsatz der ihm unterstellten Kampfeinheiten insgesamt 12 Dokumente, das waren Karten, Pläne, Anordnungen, erarbeiten. Dafür stand lediglich eine Zeit von meistens einer Stunde, selten bis vier Stunden zur Verfügung! In solchen Situationen halfen mir nur meine umfangreichen Erfahrungen, die hohe Kunst der Improvisation, das Können unserer Stabsoffiziere und die durch uns vorbereiteten formalisierten Dokumente.

Eine weitere negative Folge dieser angeführten Führungsprobleme war, dass teilweise bei Übungen eine unserer Küstenraketenabteilungen einem Flottillenchef unterstellt wurde. Das widersprach der Taktik des Einsatzes der Küstenraketentruppen. Statt die Kräfte zu konzentrieren, wurden sie zersplittert! Außerdem waren nicht alle Offiziere, außer unseren und zum Teil denen der Schiffsstoßkräfte, mit den Einsatzprinzipien der Küstenraketentruppen vertraut. Ich protestierte immer energisch dagegen und diese Fälle wurden dann auch seltener.

Im September stattete uns der Chef der Volksmarine, Admiral W. Ehm, noch einen Besuch ab. Ich musste ihm über den Stand der Vorbereitung der für 1984 anstehenden Parade berichten. Er stellte Fragen, gab Hinweise und ließ sich wie immer durch das gesamte Objekt führen. Anschließend dankte er mir persönlich für meine 25-jährige Dienstzeit in der NVA und überreichte mir das Ehrengeschenk „Kleiner Ehrendolch mit Brillanten“.

Auswertung des 1. Ausbildungsjahres

Ein zusätzliches Problem ergab sich daraus, dass unserem Regiment noch keine Truppenfahne verliehen worden war. Ich glaube auch, dass der Auftrag zu ihrer Anfertigung noch nicht erteilt war. Das erfolgte nun mit höchster Dringlichkeit. Als Termin der Verleihung der Truppenfahne an das Küstenraketenregiment 18 kam nur ein Staatsfeiertag in Frage, und der nächste war schon der 35. Jahrestag der DDR. Damit musste dieser Termin, ein weiterer Höhepunkt in der Geschichte unseres Regiments, in den Plan der Vorbereitung der Parade eingeordnet werden, ohne deren Ablauf zu stören. (Die Erinnerungen zum gesamten Paradeabschnitt befindet sich unter der Rubrik „Parade“.)

Da es jetzt etwas ruhiger zuging, tauschte ich mit meinem Stabschef, Korvettenkapitän W. Schädlich, die Plätze. Er übernahm die Führung der verkürzten Paradetruppe in Berlin und ich verlegte in unser Objekt zur direkten Vorbereitung des nächsten Höhepunktes im Leben des Küstenraketenregiments 18, der Verleihung der Truppenfahne. Ich konnte mit Genugtuung feststellen, dass meine Stellvertreter während meiner Abwesenheit sehr gute Arbeit geleistet hatten. Der Personalbestand und unser Objekt waren gerüstet für diesen wichtigen Tag.  Meine Frau musste mir noch einen vereiterten Backenzahn ziehen, mit einem dicken Gesicht wollte ich nicht zur Parade an der Tribüne vorbeidefilieren.

Verleihung der Truppenfahne an das Küstenraketenregiment 18

Am 30.09.1984 nahm ich auf einer feierlichen Regimentsmusterung in Anwesenheit vieler Ehrengäste aus den Händen des Chefs der Volksmarine Admiral W. Ehm die Truppenfahne des Küstenraketenregiments 18 entgegen und übergab sie an unseren Fahnenträger Fähnrich Detlef Lehmann. Damit ging auch, nach der entsprechenden Musterung mit Auswertung, das Ausbildungsjahr 1983/84, das erste und äußerst ereignisreiche Jahr im Leben des Küstenraketenregiments 18, zu Ende. Ich zähle nur die wichtigsten Maßnahmen noch einmal kurz auf, damit allen bewusst wird, was hier für überdurchschnittlich hohe Leistungen von dem gesamten Personalbestand verlangt wurden. Alle Aufgaben wurden erfolgreich erfüllt:

  • Die Indienststellung des Küstenraketenregiments 18.
  • Das erstmalige Erarbeiten der Dokumente für ein Ausbildungsjahr.
  • Die Überprüfung der Gefechtsbereitschaft „Hanse 83“.
  • Die Formierung der 1. Küstenraketenabteilung im vollen Bestand.
  • Die Formierung der Raketentechnischen Abteilung im vollen Bestand.
  • Das Erarbeiten des „Plans zur Überführung des KRR-18 vom Friedens- in den Kriegszustand“.
  • Die Durchführung des ersten Feldlagers einer KRA mit Besuch des Verteidigungsministers
  • Die Durchführung des 1. Raketenschießabschnitts des Küstenraketenregiments 18.
  • Die Teilnahme an der Kommandostabsübung „Herbstwind 84“.
  • Die Verleihung der Truppenfahne an das Küstenraketenregiment 18.
  • Die Teilnahme an der Ehrenparade der NVA zum 35. Jahrestag der DDR in Berlin.
  • Die Sicherstellung des Gefechtsdienstes ständig mit einer Startrampe.

Alltag und Führungstätigkeit

Ein wichtiges Ereignis des neuen Ausbildungsjahres 1984/85 war die Ausrüstung der 2.Küstenraketenabteilung, Kommandeur Korvettenkapitän Bernd Roesner, mit ihrer Hauptbewaffnung. Die ersten beiden Startrampen wurden im Februar und die nächsten beiden im Mai 1985 übernommen. Dazu befand sich in unserem Objekt wieder eine Gruppe sowjetischer Spezialisten, die nach der Montage und erfolgreicher Funktionsprobe die Startrampen an die entsprechenden Besatzungen übergaben. Dabei arbeitete das Personal der Bereiche Raketenbewaffnung und Technik/Ausrüstung unter Hochdruck, allerdings bereits mit umfangreicher Erfahrung.

Montage einer SSR am Bahngleis im Objekt Schwarzenpfost nach erfolgtem Import aus der UdSSR.

Wie immer bei allen Übernahmen der Startrampen und anderer Raketentechnik war Oberleutnant, später Kapitänleutnant, Frank Hösel von Seiten des Regiments der verantwortliche Raketentechniker. Nach Absolvierung der OHS der Volksmarine diente er zunächst in der Küstenraketenabteilung 18 und wurde mit der Indienststellung des Regiments als Oberoffizier für Raketenbewaffnung eingesetzt. Er war äußerst fleißig und technisch begabt. Bei ihrer Arbeit schaute er den sowjetischen Spezialisten über die Schulter und verbesserte so seine technischen Kenntnisse und sein Russisch, das er für das Studium der Originaldokumente benötigte. An der Beseitigung von Störungen an der Raketentechnik arbeitete er hartnäckig und erfolgreich. Nachdem die sowjetische Spezialistengruppe mit der Übergabe der achten Startrampe im Mai 1985 unser Objekt verlassen hatte, war er der wichtigste Raketenspezialist für die Startrampen im Regiment. Er ist ein typisches Beispiel dafür, wie man fehlendes theoretisches Spezialwissen im Selbststudium und in der Praxis erwerben kann. Zu vielen Problemen hatte er eine kritische Meinung. Die äußerte er offen und deutlich bei jeder passenden aber auch unpassenden Gelegenheit, so dass ich manchmal ein Auge zudrücken musste. Der Besuch einer Militärakademie entsprach nicht seinem Wunsch. Davon profitierte das Regiment, denn dadurch diente er als einer der wenigen Offiziere ununterbrochen bis zur Auflösung im Küstenraketenregiment 18. Mehrmals wurde er mit der Führung der Geschäfte des Stellvertreters für Raketenbewaffnung beauftragt, da diese Dienststellung nicht immer mit einem Absolventen einer Militärakademie besetzt werden konnte. Nach der Auflösung der NVA arbeitete er als verantwortlicher Spezialist in den USA bei den Tests mit dem Küstenraketenkomplex „Rubesh“. Später, nach Beendigung eines externen Studiums, erhielt er sein Diplom. Nach der Übernahme der letzten Startrampe führte ich in meinem Dienstzimmer die feierliche Unterzeichnung des Übergabe/Übernahme-Protokolls durch mit dem Leiter der sowjetischen Spezialisten, seinem Stellvertreter und einem alten Bekannten aus gemeinsamer Dienstzeit in der 6. Flottille, Kapitän zur See „Charly“ Winter vom Stab der Volksmarine. Bei den anschließenden Gesprächen auch mit dem Leiter der Spezialistengruppe, einem leitenden Ingenieur aus dem Herstellerwerk, musste ich verwundert zur Kenntnis nehmen, dass vorläufig keine weiteren Übergaben von Startrampen geplant waren. Dadurch blieb der Termin der geplanten Aufstellung der 3. Küstenraketenabteilung unverständlicherweise völlig offen.

Endlich hatten wir ein weiteres, wichtiges Ziel erreicht, wir waren ein Regiment mit zwei kampfstarken Küstenraketenabteilungen. Nach der entsprechenden Ausbildung war die 2. Küstenraketenabteilung zum Abschluss des Ausbildungsjahres gefechtsbereit. Sie hatte allerdings bereits im Juli erfolgreich mit zwei Treffern am 2. Raketenschießabschnitt des Regiments teilgenommen!

Nach der Unterzeichnung der Akte zur Übernahme von 4 Startrampen für die 2.KRA im Mai 1985.

Um eine engere Zusammenarbeit mit den Schiffsstoßkräften herzustellen, führten wir im Juni 1985 das Feldlager der 1. Küstenraketenabteilung, Kommandeur Korvettenkapitän U. Lonitz, im Objekt der 6. Flottille auf der Halbinsel Südbug der Insel Rügen durch. Da ich lange Zeit in der Flottille gedient hatte, gab es ein freundschaftliches Wiedersehen und ich führte persönlich viele Gespräche. Dabei ging es vor allem um die Gefechtsmöglichkeiten unserer Raketenbewaffnung mit Vorführung vor den Kommandeuren der Schiffsschlaggruppen. Das war besonders wichtig, da sie Ende des Jahres 1984 mit der Einführung der Kleinen Raketenschiffe Projekt „1241 RÄ“ mit der gleichen Raketenbewaffnung wie unsere Startrampen begonnen hatten. Auch unsere Kommandeure machten sich näher mit den Einsatzprinzipien der Schiffsstoßkräfte vertraut. Im Ergebnis entstand eine effektive Zusammenarbeit zwischen unseren Führungsorganen. Die wurde sichtbar in der erfolgreichen Organisation des Zusammenwirkens der Stoßkräfte bei allen folgenden Übungen.

Im Sommer 1985 feierten wir gemeinsam mit den Bauarbeitern den lang ersehnten Abschluss des Baugeschehens in unserem Objekt. Der Bauleiter hatte mir dazu vorgeschlagen, die durch eine Firma geplante Herstellung des Zustandes „Besenrein“, also das Großreinschiff, durch unseren Personalbestand durchführen zu lassen. Wir würden dann das dafür vorgesehene Geld erhalten und könnten damit alle gemeinsam zum Abschluss ein Fest feiern.

Meldung an den STMCVM während des Marsches der SSR in die Startstellung beim 4.RSA 1987.