IMDS 2017

Ein Bericht über die Marinewaffenschau 2017 in Sankt Petersburg.
von Klaus-Peter Gödde Fregattenkapitän a.D.

Es kommt nicht so oft vor, dass ein deutscher „Jungrentner“ der IMDS (International Maritime Defence Show), die vom 28.06.-02.07.17 in Sankt Petersburg stattfand, einen Besuch abstattet und nun versucht in deutschen und russischen Medien seine Eindrücke und Meinungen darüber  zu veröffentlichen. Jetzt steht er als Besucher am Eingang der IMDS in Sankt Petersburg. Hier ist sein Bericht:

Erster und Eröffnungstag. Pünktlich 10:00 Uhr stehe ich mit meinen zwei Freunden aus der ehemaligen Volksmarine am Eingangstor auf dem Lenexpogelände der IMDS. Sonnenschein, angenehme 17-18 Grad. 52 verschiedene bunte Flaggen der Teilnehmerstaaten, an dieser nun schon achten Internationalen Marinewaffenschau, wehen im straffen Wind entlang des Objektzaunes im Eingangsbereich. Im vorgelagerten Sicherheitsbereich bildet sich eine lange Schlage, aber es geht zügig voran. Die vielen Besucher sind meist in Zivil. Gelegentlich sieht man auch Uniformierte. Die meisten in weißen, scheinbar hochdekorierten Uniformen aus arabischen und anderen Ländern. Uniformierte aus NATO-Staaten – Fehlanzeige. Ich gehe davon aus, dass diese Vertreter in Zivil hierher kommen.

Zuerst zur Registratur. Das dauert etwas, aber alles hält sich im Rahmen einer normalen und guten Organisation. Mit Schreibutensilien und dem Messekatalog ausgerüstet, machen wir uns zuerst mit den im Katalog registrierten Ausstellern bekannt. Denn der erste von meinen drei Besuchstagen ist der Tag, an dem ich mir einen Überblick über die gesamte Ausstellung verschaffe und mit einem allgemeinen, mehrstündigen Rundgang mit meinen ehemaligen Kampfgefährten abschließe. Meine Freunde, die fast alle Ausstellungen in der Vergangenheit besucht haben, stehen mir mit gutem Rat zur Seite. Denn ich habe nicht vor alles ansehen zu wollen, sondern habe ein Interesse für ganz spezielle Bereiche. Dazu später. Beim Überlesen und Durchblättern des gewaltigen 276-seitigen Katalogs stelle ich fest, dass die Internationalität nur formal stimmt. Die zahlreichen ausländischen Firmen stellen sich oft als Verlage oder kleine Firmen heraus, die in den wenigsten Fällen Waffensysteme, Raketen, Kriegsschiffe oder Munition herstellen oder vertreiben. Nach den drei Tagen ist mir eigentlich nur ein größerer internationaler Ausstellungsstand aufgefallen, der von der chinesischen Firma CSSC (China Shipbuilding Trading Co., LTD.) besetzt war. Ich erinnere mich an die DIMDEX-Ausstellung, die ich Ende März 2016 in Doha (Qatar) besuchte. Sie ist der Gegenspieler mit der jeweils geradzahligen Jahreszahl. Diese DIMDEX entsprach ungefähr einem Fünftel der Ausstellungsfläche von dem, was ich hier in Sankt Petersburg vorfand. Also hier in Sankt Petersburg findet die mächtigste und gewaltigste Ausstellung maritimer Schiffs- und Kriegstechnik statt. In Doha war aber eine größere Internationalität vorhanden. Eindeutig dominierten dort die Amerikaner, vor den Chinesen, der Türkei sowie allen einschlägigen europäischen Waffen- und System-Exporteuren sowie vielen kleinen arabischen und weiteren asiatischen Herstellern. Selbst die Ukraine war dort mit einem Stand vertreten. Hier in Sankt Petersburg selbstverständlich nicht. Ich werde zur Ukraine nochmals zurückkommen müssen.

Welche Firmen habe ich mir nun vorgenommen an den nächsten beiden Tagen tiefgründiger und spezieller zu kontaktieren um mehr über die Hersteller und seine „Produkte“ zu erfahren. Mich interessiert alles, was sich aus den mir bekannten „Vorgängerprodukten“ weiterentwickelt hat und das sind:

  • Küstenraketenkomplexe und deren dazugehörigen Anti-Schiffsraketen
  • see-, luft- und landgestützte taktische und operativ-taktische Flugkörper, vor allem zur Schiffs- und Objektbekämpfung,
  • moderne Kriegsschiffe, die zur Besichtigung freigegeben werden und vor allem deren kampfstarke Raketenbewaffnung
  • wirksame und superneue Waffensysteme, die das allgemeine Interesse aller IMDS-Besucher auf sich zieht und erstmalig der Fachwelt und der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Nach dem Rundgang am ersten Tag gleich eine ernüchternde Erkenntnis. Keine der Küstenraketenkomplexe, weder „Bal”  noch „Bastion“ oder „Club“ sind als Originaltechnik diesmal vertreten. Weder zur äußeren Besichtigung noch zum Anfassen, geschweige zum Besichtigen im Inneren. Vor zwei Jahren war das modulare „Club“-System im 40-Fuß-Überseecontainer wenigstens noch präsent gewesen, sogar mit Vorführungen, erzählten mir meine deutschen Kollegen. Dieses Jahr – gar nichts. Auf unsere Anfrage hin, teilten man uns offiziell mit, man wollte eigentlich die neusten Modelle präsentieren, die dann doch leider nicht zum Ausstellungstermin fertiggestellt wurden wären. Nehmen wir diese Begründung mal als glaubhafte Aussage an, sehr schade. Meine Freunde zeigten mir Fotos aus 2015 und ich lauschte ihren interessanten Ausführungen über die damalige Club-Waffenpräsentation. Dafür wurden wir aber durch eine andere exklusive Waffenpräsentation ein „kleines“ bisschen entschädigt – mit der 13:00 Uhr-Präsentation auf der Freifläche – mit dem neusten aller russischen Fla-Raketen- und Artillerie Komplexe – dem bordgestützten System „Panzir-ME“. Dieses System wurde über viele Jahre aus dem System „Katschdan-M“ entwickelt und hat unter der neuen Bezeichnung wahrscheinlich seine Perfektion erreicht. Ich möchte hier nun nicht eine ausführlich Beschreibung dieses neusten Produkts des Tulaer KBP (Konstruktionsbüro für Gerätebau Akademik A.G. Schipunow) ausführen. Dennoch ein paar Gedanken zu diesem momentan einmaligen Waffensystem. Ich kenne viele, zuverlässige und sehr gute Waffensysteme aus der Zeit der Sowjetunion. Das, was hier präsentiert wurde, ist so eins. Die Zusammenführung von Artillerie, Rakete in einer gemeinsamen Komponente, gesteuert durch ein vereintes Leitsystem und dann noch mehrkanalig, so etwas wird es heute und morgen beim potentiellen „Gegenüber“ nicht geben. Vier Ziele gleichzeitig und wirksam zu bekämpfen, dass sucht  erst einmal Seinesgleichen. Der heutige Gegner schläft  auch nicht, arbeitet an anderen Projekten und in anderen Richtungen. Man nennt es Wettrüsten. Ich erhielt auf meiner Bitte hin sogar ein Press-Release als schriftliche Dokumentation. Die Präsentation wurde durch einen Animationsfilm für alle Teilnehmer der Vorführung ergänzt, der sowohl das Wirkprinzip als auch die Waffenwirkung anschaulich verdeutlichte. Originalfilmaufnahmen der Schießtests überzeugten jeden Teilnehmer. Und das nicht genug. In einem dreiköpfigen Präsidium saßen die „Herren der Schöpfung“ dieses einmaligen und wirkungsvollen Waffensystems vor uns: der 1. Stellvertreter des leitenden Direktors von KBP für die Richtung Luftabwehr Juri Sawenkow, der Generaldirektor der Holding “Präzisionskomplexe“ Alexander Denisow und der Hauptkonstrukteur der maritimen bordgestützter Fla-Komplexe Alexander Schukow. Ausführlich berichteten der Chefkonstukteur und die ihn begleitenden beiden Präsidiumsmitglieder über die Entwicklung und über die Leistungsstärke des „Panzir-ME-Systems. Mit vergleichenden Darstellungen in Ihren Ausführungen wünschten sie sich selbst nie als Pilot in die Reichweite ihrer eigenen Waffe zu kommen. Ich erkannte den Stolz der Russen durch ingenieurtechnische Höchstleistungen an die Weltspitze wieder vorgedrungen zu sein, genauso wie ich es in einem Filmbeitrag gesehen habe, der über die Zuverlässigkeit und Treffgenauigkeit der sowjetischen „Topol“ berichtete. Die geladene Presse stellte nach Erklärung und Film viele interessante Fragen und bekam von der Troika alle Antworten darauf soweit sie nicht militärische und staatliche Geheimnisse betrafen. Noch ein letzter Moment zu dieser Präsentation. Im Rahmen dieser Ausführungen wurde, fast beiläufig und ohne jede Überheblichkeit, ein nicht zu ignorierender Gedanke geäußert, der aufhören ließ. Erstens Russland hat sich von der Abhängigkeit aller Zulieferungen aus dem ehemaligen Bruderland Ukraine vollständig gelöst. Es gibt kein russisches Waffensystem, welches in irgendeiner Form von der Ukraine in Abhängigkeit steht und zweitens hat das Wirtschaftsembargo der westlichen Welt bei der Produktion konkret bei diesem Komplex eine spürbare „оживление“ der geistigen und technologischen Ressourcen bewirkt. Auch das war eine sehr deutliche Ansage mit einer anderen Art von Stolz – den Stolz nach vielen Jahren des Umbruchs sowie der politischen und geostrategischen Demütigung wieder auf der Weltbühne präsent zu sein und ernst genommen zu werden.

2. Besuchstag. Das Wetter war heute noch angenehmer als am Vortag. Man könnte meinen Idealbedingungen für einen Messebesuch. Sonnenschein, leichte Brise und 22° C. Mein Weg führte mich mit der Wiedereröffnung der Ausstellung um 10:00 Uhr direkt an den Stand des Moskauer Rüstungskonzerns „Agat“. Meine beiden Freunde gingen ihren Interessen nach und besuchten ihre Aussteller. Ich hatte somit genau eine Stunde Zeit, denn 11:00 Uhr sollte die offizielle Eröffnung der IMDS stattfinden. Der Konzern „Agat” ist ein industrieller Riese des russischen Militär-Industriellen Komplexes, der eine Vielzahl von Waffensystemen, insbesondere Waffenleit- sowie Kommunikations- und Führungstechnikkomponenten  für see- und landgestützte Komplexe projektiert und herstellt. Auch der mir allzu bekannte Küstenraketenkomplex „Rubesh“ zählte zu den hervorragendsten Erzeugnissen dieses Unternehmens, welcher in dem zugehörigen „Taifun“-Unternehmen entstand. Beide Systeme befinden sich bis zum heutigen Tag im Bestand verschiedener Flotten Russlands, obwohl die NATO und Israel gerade den Komplex „Rubesh“ in den 90-iger Jahren bis zur letzten Schraube auseinander gebaut und alles bis ins Detail ausgewertet sowie selbstverständlich auch Raketen getestet haben. Sie haben sogar in einer „P-21“-Raketenzelle die Zielsuchlenkanlage vom Typ „DSMAÄ“ sich unterhalb einer „Phantom F4“  gehangen, um Raketenanflüge zu imitieren. Ich habe in meinem Buch „Eine Elite-Einheit der NVA rüstet ab“ 2000 erstmals darüber berichtet. Auf meine Anfrage über Herausgabe dieses Auswerteberichts hüllt sich nicht nur für 25 Jahre der Mantel des Schweigens. Schriftlich antworteten mir die zuständigen Stellen, dass dieser Bericht nicht deklassifiziert werden wird. Und das „Rubesh“ bis heute bei den Russen eingesetzt wird, heißt mit anderen Worten, die NATO-Seemächte können dem nichts entgegensetzen, als die reine physische Vernichtung der mobilen Startrampen durch Luftangriffsmittel oder andere Kräfte. Im „Agat“-Konzern läuft auch unter dem Begriff „Club“ ein anderer moderner Küstenraketenkomplex unter dem Dach der Firma „Morinformsystem“ und in Kooperation mit dem Konzern „NPO Maschinostroenije“ die Herstellung und Weiterentwicklung des Küstenraketenkomplexes „Bastion“. Der gesamte „Elektronikpark“, von der Antenne bis zum Monitor, alles befand sich auf der ca. 300 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche. In einem festgelegten Zeitintervall erklärte ein Sprecher des Unternehmens die Gesamtheit aller ausgestellten Systeme, deren Zweckbestimmung und seine Möglichkeiten bei der Seeaufklärung, Lagebeurteilung bis hin zum Gefechtseinsatz der unterschiedlichen Einsatzmittel. Ich sah mich in diesem Ausstellungsbereich um. Ich suchte einen Vertreter, der mir ganz speziell die Zugehörigkeit verschiedener Erzeugnisse von „Taifun-Agat” zu den einzelnen Komplexen erklären konnte. Und ich hatte Glück. Alle meine Unklarheiten konnten zufriedenstellend beantwortet werden. Viele Zusammenhänge erschließen sich für mich heute wesentlich übersichtlicher als in der Vergangenheit. Und das finde ich gut. Keiner muss mir irgendwelche Geheimnisse preisgeben, aber trotzdem war ich anschließend schlauer als zuvor. Ganz im Gegensatz zu den am Folgetag stattfindenden Erklärung an Bord der Kampfschiffe. Dazu aber später. In einer Stunde habe ich es geschafft alle gewünschten Erklärungen in einem Dialog mit einem sehr zugänglichen Mitarbeiter zu bekommen, habe den fünfminütigen Demonstrationsfilm während des Abspielens mit meinem iPhone aufgenommen und noch den Erklärungen des Vortragenden zugehört. Abschließend noch ein paar Worte zu den Animationsfilmen, die an sehr vielen Ausstellungsständen im Schleifenmodus abgespielt werden. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des jeweiligen Unternehmens konnten sich nicht einfach entfernen, aber für sie ist das sicherlich auch belastend im Trick oder Live die Geräuschkulisse laufend explodierender Raketen, Geschosse oder Bomben über sich ergehen zu lassen. Das ist eine noch vertretbare Auswirkung. Ich persönlich hätte nie den Wunsch gehabt dieses Szenario live erleben zu wollen. Ich habe persönlich meinen Anteil an dieser Grundeinstellung keinen Krieg zu zulassen 20 Jahre lang erfolgreich geleistet. Heute gehören Kriege, Kampfhandlungen und Terroranschläge zur normalsten Sache der Welt. Wie hat sich die Welt im letzten Vierteljahrhundert nur zum Negativen verändert! Das, was mich an diesen Trickfilmen stört ist, dass sie wie Computerspiele den Waffeneinsatz scheinbar erträglich machen und dessen eintretenden Wirkungsfolgen durch das Ausschalten des Systems oder Computers ähnlich wie die „Helden“ aus dem Dokumentarfilm „National Bird“ vergessen machen lassen. Ein fataler Irrtum für die Operateure, aber auch für die gesamte Gesellschaft. Ich will nie hoffen, dass sich Waffenkäufer finden, die nach diesen Animationen Raketen, Bewaffnung und Munition in Auftrag geben werden und meinen somit Gefechte, sogar Kriege gewinnen zu können. Das sind Gedanken, die direkt und sogar während des Ausstellungsbesuchs mich bewegten. Denken alle, die mit mir gemeinsam diese Waffen-Show ein- oder mehrtägig besuchen genauso?

Nun zur offiziellen Messeeröffnung. Im Foyer der Eingangshalle versammelte sich zahlreich die Presseleute und alle interessierten Messebesucher, um den kurzen Ausführungen der verschiedenster Vertreter aus Politik, Rüstungsindustrie, Kommune sowie Militär und Messeorganisatoren zuzuhören. Sie umrissen jeweils das Ausstellungsereignis, verwiesen auf langjährige Traditionen sowie auf Rolle und Bedeutung und wünschten allen Ausstellern und Besuchern Erfolg und Gelingen des nun schon achten Marinesalons in Sankt Petersburg. Mich interessierte eigentlich nur eine Person – der Oberbefehlshaber der Russischen Seekriegsflotte Admiral Koroljow. Außer dem Gouverneur der Stadt Sankt Petersburg konnte ich mir über die Stellung und Rolle der anderen Personen keinen Reim machen. Ein Flottenchef und ein Admiral, dass waren für mich aus der Vergangenheit her verständliche Begriffe. Ich schoss von verschiedenen Standorten noch ein paar Fotos vom Eröffnungsakt und ging, nachdem das blaue Band symbolisch durchschnitten wurde, direkt zum Stand „ Kooperation Taktische Raketenbewaffnung“ in die Ausstellungshalle 3.

Der in Kaluga ansässige große Rüstungsbetrieb hat ein breites Spektrum an Raketen, Torpedos und Minen im Produktionsportfolie auf der IMDS ausgestellt, die, worauf seine Firmenbezeichnung schon hinweist, in Kooperation mit vielen anderen Betrieben hergestellt werden. Das sind insbesondere die fünf Hauptfinalisten „Gidropribor“, „Wimpel“, „Region“, „NPO Maschinostroenije“ und „Raduga“ von insgesamt 31 Unternehmen. Letzterer ist mir noch gut in Erinnerung, weil er die Antischiffsraketen der „Termit“-Klasse, die sowohl an Bord unserer Raketenschnellboote als auch bei den Küstenraketentruppen eingesetzt wurden. Dazu gehören auch das Flügelgeschoss vom Typ „S-2“ aus den 60-iger Jahren, die „P-15“ und „P-15U“ aus den 70-iger Jahren sowie deren Nachfolger die „P-21“ und „P-22“, die ab 1980 sich im Bestand der Volksmarine befanden. Zuerst machte ich mir einen allgemeinen Überblick über alle Exponate, sortierte gedanklich schon mal die, die mein besonderes Interesse befriedigen aus und schaute mir die gesamte Serie aller Filmbeiträge an, die auf der großen Leinwand nacheinander abliefen. Auch hier die gleichen Gedanken wie bei „Taifun-Agat“. Außerdem suchte ich mir schon einmal einen passenden Gesprächspartner in der Vielzahl der herumschwirrenden Mitarbeitern aus. Ich sah auch, dass eine dreiköpfige algerische Marinedelegation ausführliche Erklärungen sogar auf Arabisch erhielten. Die Firmenvertreter nahmen sich auch genügend Zeit und die Gäste bekamen ausreichende Informationen. Also schoss ich in dieser Überbrückungszeit ein paar Fotos von den mir aus der Literatur bekannten Raketen, Startrampen und dem dazugehörigen Equipment. Der Raketentyp, der hier mein besonderes Interesse weckte, war die „X-35 UE“. Sie ist eine der besten ihrer Klasse und befindet sich an Bord von Flugzeugen („Istwestija“ veröffentlichte dazu einen Artikel im Mai und beschreibt dort die Kombination des neusten Jagdflugzeugs T-50 mit der „Uran-UE“).

Eigenartigerweise konnten die Spezialisten auf dieser Messe dieser Kombination noch in keiner massenwirksamen Flottenverwendung bestätigen. So verließ ich für eine kurze Zeit diesen Stand, um mich in der Halle 3 auch noch bei anderen Anbietern umzuschauen, fand aber nur bei der russisch-indischen Firma „Bramos“ einen Stand, der mich mit seiner gleichnamigen Antischiffsrakete interessierte. Dann ging es wieder zurück zur „Kooperation Taktische Raketenbewaffnung“. Dort begegnete ich auch den Unternehmenslenker, also den Generaldirektor Boris Obonosow. Ich erkannte ihn, weil ich den Film „Raketenbastion“ übersetzt hatte, in dem er mehrmals ein Interview zur Entwicklung der russischen Raketenkomlexe abgab. Er erwartete die Delegation des oben schon erwähnten Eröffnungskommitees. Und plötzlich „flog“ im wahrsten Sinne des Wortes ein riesiger Menschenpulk an den Stand. Jedem Messebesucher sind weltweit solche Antrittsbesuche bekannt, weil zu den Offiziellen sich noch die Presse gesellt und damit immer für Aufsehen gesorgt wird. Ich zog den Bauch ein, ließ die Truppe gewähren und schon waren sie wieder weg, so schnell wie sie gekommen waren. Viele Fachfragen gab es nicht, denn ich hatte zuvor sehr viel selbst über die „X-35 UE“ gelesen und auch Texte aus der „Iswestija“ aus dem Russischen für unsere Website https://www.kuestenraketen.de übersetzt. Im vertrauten Dialog mit dem Unternehmensvertreter erkannte ich, dass mein ungefähr gleichaltriger Gesprächspartner aus der Ukraine kommt und irgendwie wechselten wir das Thema. Darauf angesprochen, antwortete er mit einem tiefen Seufzer und ließ seiner Verbitterung mit folgenden Satz freien Lauf: “Wer hätte das vor 15 Jahren gedacht, dass unsere Brudervölker – Russland und die Ukraine – sich in diesem unsäglichen Kriegszustand befinden. Mir zerreißt es das Herz“. Da  dieser gebürtiger Ukrainer, nun wohnhaft in Russland und in einem russischen Rüstungsbetrieb tätig ist, ließ ich meine Gedanken in die gleiche Richtung wandern. Und ich möchte dieses Gefühl gerade in diesem Bericht im folgendem Absatz etwas ausführlicher beschreiben, denn meine Bindung zu dieser Konfliktsituation ist mir persönlich auch nicht gleichgültig.

Alles fing vor 45 Jahren an. Ich lernte eine hübsche und junge Frau aus der Ukraine kennen. Sie kam aus dem Lugansker Gebiet. Und wie das so im Leben ist, man verliebt sich und heiratet. Diese Frau ist seit 43 Jahren nun meine Ehepartnerin. Und so kam es, dass wir die Flitterwoche um den 1.Mai 1974 in Kiew verbrachten. Auch in der Folgezeit verweilten wir an verschiedenen Orten der Ukraine – in Odessa, Charkow, Donezk und Starobelsk. Oft waren wir auch in der Folgezeit in Kiew, erholten uns auf der Krim, kennen die Marinebasis in Sewastapol, besuchten ohne jegliche Einschränkungen dort den Raketenkreuzer „Moskwa“ und die gesamte Krim und waren sehr oft und lange in der einmalig schönen ländlichen Gegend im Nowopskower Rayon des Lugansker Gebietes. Dort vernahmen wir auch die Geschichten von den damals noch lebenden Großeltern meiner Frau als schon einmal die Deutschen auf deren Gehöft waren. Aber das war 1942. Unsere letzten Besuche fanden durchaus nicht nur zu tiefsten Sowjetzeiten statt, sondern auch ein Dutzend Jahre danach, als sich die Ukraine längst aus der zerfallenden Sowjetunion abgemeldet hatte. Niemals hörte ich etwas über Konflikte oder Spannungen, weder „im Volke“ direkt, in dem ich ja nun auch lebte und meine Verwandtschaft hatte, noch auf Regierungs- oder politischer Ebene. Sie lebten friedlich zusammen. Nichts von Diskriminierung, Unterdrückung oder Konflikte. Durch die erhaltene Selbständigkeit hat die Ukraine aber selbst Korruption und Nationalismus, insbesondere Aggressivität gegenüber Russland zugelassen, welcher leider jedes normale Maß an Verträglichkeit überschritten hat. Und Anfang des neuen Jahrtausends fingen die westliche Mächte, allem voran die USA, die NATO und die EU in die Ukraine zu „krauchen“, um einen Regime change mit der anschließenden Einbindung in die sogenannte westliche Wertegemeinschaft zu erreichen. Das katastrophale dabei bestand aber darin, dass die Akteure bewußt die Einbeziehung Russlands dabei unterband. Das sind die Ursachen und da haben die Russen absolut nichts mit am Hut. Sie mussten nur die Reißleine ziehen, als jegliches Maß an friedlicher Normalität aus dem Ruder lief und existenzielle Fragen Russlands auf der Krim direkt angegriffen wurden. Ich erinnere an die Ereignisse auf dem Maidan, an das Massaker im Gewerkschaftshaus in Odessa, an den bisher immer noch angeblich ungeklärten Abschuss des MH17-Fluges und auch an die völlig legitime Besetzung der Krim. Selbstverständlich wurde mit der Besetzung der Krim internationales Völkerrecht gebrochen, aber ich habe zig bewaffnete und illegale Kriege des Westens nach 1945 aufmerksam gelesen und von denen war nicht ein einziger völkerrechtlich legitimiert, aber immer mit viel Blutvergiessen verbunden. Und alle Welt hackt heutzutage auf Russland rum und dämonisiert die Regierenden. Die Menschheit soll froh sein, dass sie durch die Sezession der Krim einen Krieg oder zumindest einen bewaffneten Konflikt auf dieser Welt weniger hat. Reicht denn das nationale Unglück in der Ostukraine, in der Heimat meiner Frau, nicht aus? Diese Gedanken sind seit vielen Jahren in meinem Gehirn verankert und werden gerade in solchen Gesprächen einfach nur aktiviert. Ich brauche da nicht zu überlegen, wer gut und wer schlecht ist. Ich stelle auch in diesem Gespräch fest, ich stehe nicht allein mit meiner Meinung da, obwohl die Welt um mich herum einer ganz anderen, leider wesentlich gefährlicheren und haßerfüllteren Strömung unterliegt. Damit sollte mein zweiter Besuchstag der IMDS enden.

3. und letzter Besuchstag. Schwerpunkt für diesen Tag ist der Besuch einiger Kriegsschiffe, die direkt an der Pier des Messegeländes festgemacht hatten. Wir hatten uns schon am Vortag über die Anmeldeformalitäten für den Schiffsbesuch informiert und auch schon die drei Kampfschiffe ausgesucht, die uns am meisten interessierten: die Fregatte „Admiral Makarow“ sowie die Korvetten „Serpuchow“ und „Stoikij“. Zentraler Anmeldepunkt ist das Büro des russischen Verteidigungsministeriums in Halle 4. Eine nette und hübsche Frau Kapitänleutnant begrüßte uns. Nur ein Vertreter unserer vorerst zweiköpfigen Besuchergruppe wurde zwecks Formalitäten ins Büro gebeten. Nachdem wir das erledigt hatten, teilte man uns mit in einer halben Stunde erneut dort zu erscheinen. Wir überbrückten diese Zeit mit einem wiederholten Besuch des Standes „Kooperation Taktische Raketenbewaffnung“ in der benachbarten Halle 3. Diesmal nicht um noch offene Fragen zu klären, sondern um uns mit unseren eigenen Bücher für den offenen und informativen Gedankenaustausch am gestrigen Tag zu bedanken. Das kam bei den beiden Firmenmitarbeiter gut an und wir wurden sogar gebeten nebst Signatur eine Widmung in unsere Bücher einzutragen. Zurück zur Registratur. Wir waren immer noch die einzigen Anwärter und der Kapitänleutnant bat noch auf zwei, drei Besucher zu warten, damit die Gruppe zur Pier geführt werden kann. Wir hatten Glück. Drei Schiffsbauer aus Sankt Petersburg gesellten sich noch zu uns und der Kaleu begleitete uns zur „Serpuchow“. Hier wurden nochmals unsere Personaldaten in eine auf dem Tisch ausliegende Liste direkt auf der Pier erfasst und der offensichtlich zum Schiff gehörige Offizier fotografierte jeweils unser Konterfei. Allgemeine Verwunderung. Die wurde noch gesteigert, als es hieß, dass momentan noch eine Schiffsführung laufe. Wir mögen schon mal zum nächsten Besichtigungsobjekt nebenan gehen. Dort der gleiche Registratur- und Fotoakt. Endlich an Bord der „Admiral Makarow“. Sie befindet sich in der letzten Testphase zur Übergabe an die Baltische Flotte. Wer nun dachte die Schiffsbesichtigung würde durch den Kommandanten oder durch seinen 1.WO durchgeführt – Fehlanzeige. Der Bordarzt stellte sich vor und machte uns mit einem der modernsten und kampfstärksten Kriegsschiffe der Klasse Fregatte der russischen Flotte vertraut. Zur Bewaffnung gehört eine Kompaktstartanlage mit acht Mittelstreckenraketen des Typs „Kalibr“, die im Mitschiffsbereich unter Deck untergebracht ist. Der Fla-Raketenkomplex „Stil“ befindet sich auf der Back, ein ebenfalls dort platziertes vollautomatisches 100 mm-Geschütz vom Typ „AK190“, zwei schnellfeuernde automatische Artilleriegeschütze 30 mm vom Typ „AK-630“ im achteten Bereich sowie an jeder Bordseite eine Doppeltorpedoausstossanlage gegen U-Boote und Überwasserkräfte. Die entsprechenden Erklärungen zur Bewaffnung erbrachten für uns keine neuen Erkenntnisse. Zur „Kalibr” wurde außer des Vorhandenseins und der Bezeichnung keinerlei Ausführungen gemacht. Die operative Einsatzzentrale, wo der Raketen- und Waffeneinsatz befehligt wird, war mit einer Decke verhangen und wurde durch uns nicht betreten. Fotos an Bord waren generell verboten. Und über Mannschaft- und Offiziersmesse zu schreiben lohnt es sich nicht sonderlich, selbst die speziellen LED-Lampen über der Back in der Offiziersmesse, welche im Ernstfall einen medizinischen OP-Tisch darstellte, setze uns nicht in Erstaunen. Was wäre passiert, wenn ich den Anker und das Spill verbotenerweise doch fotografiert hätte? Wir ließen es nicht darauf ankommen und bekamen zum Abschluss die Möglichkeit mit dem Doc uns auf dem Hubschrauber-Start- und Landedeck achteraus zu fotografieren. Aber eben nur da. Das nächste Schiff war das, wo wir uns zu allererst registrieren hatten lassen – die „Serpuchow“. Unser Begleitoffizier vom Verteidigungsministerium war zwischenzeitlich auch verschwunden und so gingen wir zur Stelling des Schiffes. Ein Mitschman – ein Fähnrichdienstgrad – führte die Schiffsbesichtigung durch. Auch die „Serpuchow“ ist mir acht „Kalibr“-Raketen ausgerüstet, hat eine 100 mm vom Typ AK 100 sowie zwei AK 630 und den Fla-Raketenkomplex „Gibka“. Nach der Brückenbesichtigung gingen wir durch die Kommandozentrale des Schiffes, in der einige Gerätschaften mir einer Persenning abgedeckt waren. Auch hier keine näheren Erklärungen zu der besonders uns interessierenden Hauptbewaffnung. Das letzte Kampfschiff, welches die „Uran“– Raketen an Bord hat ist die Korvette „Stoikij“. Gleiche Prozedur, nur mit dem Unterschied, dass vor uns schon eine Troika „Schiffsbesichtiger“ wartete. Das waren der argentinischen Militärattaché, ein Konteradmiral, vermutlich mit seinem Adjutanten, einem Kapitän zur See, und der Dolmetscherin. Ich habe noch nie erlebt, dass so lange ein Admiral an einer Stelling eines Kriegsschiffes hat warten müssen. Wir als ausländische Zivilisten übten uns in Ruhe und Geduld. Auch hier das selbe Registrationsschema. Der durchführende Offizier, der uns begrüßte, war ein Kapitänleutnant. Sein Problem war, dass er seine Ausführungen hat vom Blatt ablesen müssen. Das macht gerade nicht einen professionellen Eindruck. Die Hauptbewaffnung setzt sich aus zwei mal vier „Uran“-Antischiffsraketen, dem Fla-Raketen-Komplex „Polyment“, der AK-190, 2 mal die AK-630 und zweimal vier Torpedoausstoßanlagen im Mittschiffsbereich zusammen. Nach dem wir die Brücke und die Gefechtszentrale durcheilt hatten, passierten wir anschließend die Kommandanten-Kajüte. Die Tür stand offen. Der Kommandant, ein Korvettenkapitän, der hinter seinem Schreibtisch saß, schaute nicht gerade einladend, vielleicht etwas durch die ständigen Führungen genervt, zu uns herüber. Wenn er nur wüsste, wer wir sind und was wir vor 25 Jahren waren. Auch hier keine ideale Schiffsführung und schon gar keine erhoffte Besichtigung der Hauptbewaffnung. An dieser Stelle möchte ich aufhören über die Schiffsbesichtigung auf der IMDS 2017 zu schreiben. Bevor ich in einer abschließenden Einschätzung meine gesamten Eindrücke zum Messebesuch kurz zusammenfasse, ist es vielleicht angebracht noch eine vergleichende Betrachtung des Themas Schiffsbesichtigung mit der DIMDEX 2016 anzuführen. Denn da gibt es doch einige kleine Unterschiede. Obwohl ich die acht großen Kriegsschiffe aus dem Marriott-Hotel in anderthalb Kilometer Entfernung liegen sah, konnte ich nicht einfach selbständig in den Handelshafen fahren, um an Bord zusteigen. Auch da strenge Ordnung. Anmeldung im ca. 15 km entfernten Ausstellungsgebäude. Meine Frau erklärte unerwartet auch ihre Bereitschaft mitzufahren. Sie wurde dort in wenigen Minuten registriert und saß neben mir plus ein paar weiteren Schiffsbesuchern im Shuttle, der uns direkt zu Pier brachte. Es bestand kein großer Andrang, ein paar dutzend Besucher, vor allem Pressevertreter und Korrespondenten, zerstreuten sich schnell auf der mindestens 500 m sich nach beiden Seiten ausstreckenden Doppelpier. Wir entschieden uns sofort und gleich für den größten „Brocken“ – einem sogenannten Amphibious Transport Dock – die „USS Ponce“ der US-Navy. So stiegen wir die hohe Stelling, ohne jegliche weitere Registratur über uns ergehen zu lassen nach oben und wurden dort von amerikanischen Marinesoldaten herzlich empfangen. Da das Schiff wesentlich größer war,  hatte die Mannschaft eine regelrechten Parcour mit einer Vielzahl von verschiedenen Gefechtsstationen abgesteckt, manchmal mit Trassierband, da wo es nötig war, an manchen Stellen wurde die Zwangsführungen durch natürlich vorhanden Relings, durch Auf- und Niedergänge oder durch Treppen ersetzt. Sehr ausführlich erklärten die Soldaten in Uniform, aber auch in Zivil die jeweiligen Gefechtsstationen. Alle Fragen wurden beantwortet, keiner hüllte sich in Schweigen oder ließ die Antwort einfach aus. Selbst die erste funktionstüchtige Laserkanone an Bord eines US-Kriegsschiffes und die Drohnenstartanlage konnten wir von allen Seiten nicht nur angucken, sondern auch fotografieren. Wer will, kann sich auf YouTube die Wirkweise dieser Waffe an leichten Zielen aus November 2015 komplett anschauen. An manchen Stationen standen in Eisbehälter gekühlte Getränke sogar zur Auswahl bereit. So ergab es sich, dass ich mal für „kleine Jungs“ die Toilette aufsuchen musste. Der Stationsleiter führte mich zu einem Niedergang, sagte „… runter, geradeaus und hinter der Mannschaftsmesse links!“ So ging ich mutterseelenallein durch Teile des Innenschiffs, sah wie die Mannschaft zum Backen und Banken Mittag fasste – es gab Pommes und Schnitzel – und nachdem ich meine Notdurft verrichtet hatte, ging ich selbständig hoch in den Hubschrauberhangar, um letzte Fragen und Eindrücke auszutauschen und noch ein kühles Getränk einzunehmen. Auch ein Foto von uns beiden schossen die Amerikaner mit dem Hintergrund einiger abgestellter Hubschrauber, in denen gerade die Angehörigen der qatarischen Streitkräfte Erklärungen erhielten. Also wesentlich locker, freundlicher und entgegenkommender. Und trotzdem hätten sie uns auch nicht alles erzählt, was einem „überinteressierten“ Besucher am Herzen gelegen hätte. Weiter ging es zur „HMS Defender” – einer moderen Fregatte aus dem Vereinten Königreich Großbritannien. Hier genauso offene Gespräche, lockere Atmosphäre, nur in der Gefechtszentrale, da wo der Waffeneinsatz und die Aufklärungsergebnisse angezeigt und bewertet wurden, durfte man auch nicht fotografieren. Die italienische Fregatte „ITS Carabiniere”, die als nächste an der Pier lag, ließen wir bei der Besichtigung aus, weil sie sicherlich die gleichen Gefechtsmöglichkeiten besaß wie die „Defender” und gingen zur „INS BEAS“ – einer Fregatte der Brahmaputra-Klasse. Sie lag im rechten Winkel zu den andern Schiffen an der Kopfpier. Ihre Bewaffnung kann jeder interessierter Mensch aus Wikipedia so wie folgt entnehmen und in unserem Fall auch besichtigen:

16 × X-35 (SS-N-25 Switchblade) SSM (4 x quadruple KT-184 launchers)
24 × Barak SAM (3 x octuple VLS units)
1 × OTO Melara 76 mm gun
4 × AK-630 6-barreled 30 mm gatling gun
2 × RBU-6000 213 mm anti-submarine rocket launcher
2 × triple ILAS 3 324 mm torpedo tubes (Whitehead A-244S anti-submarine torpedoes)
Aircraft carried: 1 Sea King, 1 Match Helos

Welche Geheimniskrämerei auf den russischen Kampfschiffen zur IMDS 2017! Das, was uns bei diesem indischen Kampfschiff in Erinnerung bleibt, ist etwas ganz anderes. Eine russische Delegation, uniformierte und zivile Angehörige, kamen uns über die Stelling entgegen. Wir grüßten uns gegenseitig und verständigten uns auf Russisch. Das habe ich toll gefunden, dass Uniformierte auf solchen Messen auftauchen, um sich auszutauschen und sich untereinander zu verständigen. Auf diesem Schiff erhielten wir sogar kleine Aufmerksamkeiten als Geschenk. Weiter ging es zur nächsten Fregatte – der französischen „FNS ACONIT“. Welche Enttäuschung? Man gab uns an der Stelling zu verstehen, dass momentan Mittagspause ist und keine Führung stattfindet. Auch das hat seinen französischen Scham. Als nächste Besuchsobjekte lagen zwei pakistanische Patroullienboote hintereinander – die „PNS  QUWWAT“ und das etwas größere PNS DEHSHAT. Beide sind mit  jeweils zwei Doppel-Startanlagen, die sich in Exocet-ähnlichen Startcontainern auf dem Achterdeck befanden. Es waren aber chinesische Antischiffsraketen. Am herzlichsten wurden wir auf diesen Booten empfangen. Der Kommandant überreichte uns nicht nur pakistanische kleine Erinnerungsgeschenke, sondern wir wurden auch mit einem kleinen nationalen Imbiss bewirtet. Als letztes Kampfschiff stiegen meine Frau und ich auf die in den Niederlanden gebaute Fregatte „PMV ALLAL BEN ABDELLAH“ des Königreiches Marokko. Hier führte uns beide der 1.WO durch das ganze Schiff und ließ sich sehr viel Zeit. Mag da auch eine Portion Zuneigung dabei gewesen sein, denn ich versuchte ein wenig meine einstmals guten Arabisch-Kenntnisse aus der Vergangenheit anzubringen, was offensichtlich noch gelang. Somit stand damals wie heute das gegenseitige Verständnis im Mittelpunkt des Treffens. Es ist immer besser die unterschiedlichen Seiten in dieser Welt kommen mit Respekt und guter Absicht aufeinander zu, als aus der Ferne sich verbal anzufeinden und wenn das nicht reicht gegenseitig sich anzugreifen. Das ist meine Einstellung und ich glaube nicht allzu falsch damit zu liegen.

Lassen Sie mich in wenigen Punkten meine Eindrücke von der diesjährigen IMDS zusammenzufassen:

  1. Auch die diesjährige IMDS in Sankt Petersburg ist als eine unumstritten starke und in seinem Spektrum breit gefächerte Leistungsschau der russischen Verteidigungsindustrie und des russischen Kriegsschiffbaus einzuschätzen. Sie spiegelt einen hohen Wissenstand in Technologie, Fertigung und Anwendung maritimer Kriegstechnik dar.
  2. Die Internationalität dieser Waffenschau ist vorhanden, wird aber eindeutig durch die russische Seite überdimensioniert vertreten. Die somit fehlende Internationalität ist ohne Zweifel im Zusammenhang mit den Sanktionen der westlichen Welt gegenüber der Russischen Föderation zu sehen.
  3. Die zur Besichtigung freigegeben Kriegsschiffe in der Klasse Fregatte/Korvette sind Weltspitzenleistungen mit sehr hohem Kampfwert und können sich mit allen vergleichbaren Kriegsschiffen der NATO messen. Sie sind nach Meinung des Autors in ihren Gefechtsmöglichkeiten sogar besser.
  4. Die visuelle Präsentations- und Animationstechnik einzelner großer Rüstungskonzerne ist teilweise überdimensioniert und erscheint manchmal wie ein War-Game am Computer. Dagegen stehen die oft als hilflos und überbürokratisiert erscheinenden Schiffsbesichtigungen, die weder von Kampfstärke und Stolz ihrer Besatzungen zeugen, noch von kommerziellem Denken durchdrungen sind, als nahezu passiver Messebestandteil da. Eigentlich müsste jede Demonstration eines Kampfschiffes als Messehöhepunkt, in dem alle Errungenschaften sozusagen zusammenlaufen, durch den Besucher empfunden und zu werten sein. Die überzogene Geheimhaltung an Bord der drei von uns besichtigten Kampfschiffe war unverständlich. Unverständlich auch deswegen, weil die Firma „Rosoboronexport“ vielen Bestellern und Messebesuchern das neuste Buch „Russische Waffen im Syrienkonflikt“ in Russisch und Englisch präsentierte und dort unter anderem auch die Handlungen der russischen Seestreitkräfte detailliert beschreibt einschließlich den Waffeneinsatz. Warum setzt man den Besatzungen dieser modernen Schiffe einen Maulkorb vor, wo doch alles und detailliert in o.g. Buch beschrieben wird.
  5. Die Eintrittspreise für sogenannte Business-Teilnehmer, als die wir uns haben vorab auch registrieren lassen, sind relativ teuer. Dagegen kostet ein Tagesticket 700,- Rubel (ca. 10,- Euro), eine angemeldete Business-Karte für die Gesamtdauer der Messe beläuft sich aber auf 152,- Euro. Die DIMDEX in Doha 2016 war über die gleiche Gesamtdauer mit all seinen Programmteilen einschließlich Katalog kostenfrei.
  6. Gerade in der gegenwärtigen Zeit, wo Vorbehalte und Vorwürfe der unterschiedlichen politischen Lager sich immer mehr zuspitzen, müssen Messebesuche, auch trotz Sanktionen u.ä. , gerade durch die Militärs des jeweiligen potenziellen Gegners wesentlich stärker, offiziell und gegenseitig besucht werden. Dort sich mit Respekt und Interesse auszutauschen ist immer besser als Waffen unüberlegt “sprechen“ zu lassen. Denn dann ist sowieso alles zu spät.

Klaus-Peter Gödde, Fregattenkapitän a.D.

Fotos: Klaus-Peter Gödde und mit freundlicher Genehmigung, Herr Tsungfang Tsai
Filme: Mitschnitte Stand KBP und Stand AGAT, Klaus-Peter Gödde