Materialabschub, Verkauf & Verschrottung

Materialabschub, Verkauf & Verschrottung

Um dieses Thema zu beginnen, ist erst einmal eine Gesamtübersicht der Waffenverkäufe aus ehemaligem NVA-Bestand notwendig, bei dem die Technik des KRR-18 nur eine untergeordnete Rolle einnimmt. Oberstleutnant a. D. Dipl. rer. mil. Martin Kunze hat in einem zweiteiligen Bericht den Materialabschub zusammengefasst  und auf http://www.ddr-uniformen.com veröffentlicht. (Teil 1 & Teil 2 )
Diese Berichte zeigen, dass Unmengen von Waffentechnik der ehemaligen NVA in alle Welt verkauft bzw. verscherbelt wurden.

Dieser kurze Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm “Sieg im Osten – Wie die Bundeswehr die NVA schluckte zeigt auch mehrere dutzend Seezielraketen der Volksmariene. Hauptsächlich P-21, ein paar veraltete P-15 und Lehrgefechtsmodelle. Der Einkaufswert einer Rakete P-21 lag bei über 400.000 Mark der DDR. Die Fa. Buck bekam Anfang der 1990er Jahre den Zuschlag für die fachgerechte Entsorgung. Der gewählte Standort, das ehemalige VEB Instandsetzungwerk Pinnow (IWP).

“… Doch wieder fand sich hier militärische Hardware. Aber nicht zur Reparatur, sondern zur Entsorgung. Die Firma Buck und nach deren Insolvenz 1998 das Unternehmen Nammo demontieren Raketen, Panzer und entsorgten Streumunition. Aber auch andere Industriezweige, Organisationen und Einrichtungen hatten und haben sich auf dem Gelände (heute INPAR Pinnow) angesiedelt, das 2004 an die Gemeinde ging. Fertigwohncontainerbau, Türen- und Fensterproduktion, Sozialstation und vieles mehr. Mit der Schließung der Nammo 2018 ist das Kapital Waffen in Pinnow endgültig Geschichte. Aber ein kleines Museum erinnert dort noch heute an die Zeit der geheimen Rüstungsschmiede.”https://www.moz.de/landkreise/uckermark/schwedt-und-angermuende/artikel90/dg/0/1/1671306/

Der Spiegel” veröffentlichte 1991 in seiner Ausgabe 47/1991 auf Seite 26 diesen Artikel.

Aber um uns jetzt speziell mit dem Küstenraketenkomplex “Rubesh” zu beschäftigen, hier einige Auszüge der vorliegenden Berichte.

Oberstleutnant a. D. Martin Kunze: “Ein Wort zum Re-Export. Ein nicht unerheblicher, z.T. der modernste Teil der Technik der NVA, wurde einschließlich Dokumentation und Kodierungsmitteln, reexportiert zum Hersteller UdSSR. In einer Anlage zum „Plan der Maßnahmen zur Reorganisation der NVA” sind dazu aufgeführt:

Automatisiertes Feldführungssystem „PASUW”, Kennungssystem „PAROL” der LaSK, LSK/LV und VM , Raketenkomplex  „TOTSCHKA”, FlaRak-Komplexe der LaSK  „OSA-AK”, „STRELA-10″ und  „IGLA”, FlaRak-Komplexe der LSK/LV S-200 und -300, Aufkl.-Technik mit den Komplexen R-381T,-394 KM, Krypton-P, – Funktechn. Mittel mit: Automatis. Führ.-System „POLJE”, FuMSt ST-68U, Fu-Höhenmesser PRW-17, Raketen des FlaRak-Systems  „OSA-M” der VM, Raketen P-21 und -22, 2 Komplexe Küstenraketensystem  „RUBESH”, Waffenleitanlagen der Schiffe Pr.1159, Raketen des Feuerleitsystems  „BASTION”.

 

Die Ausführung hatte bis 15. bzw. 30.9.1990 zu erfolgen. Die UdSSR war darüber hinaus an der unentgeltlichen Rückgabe weiterer Technik interessiert. Dazu zählten (ohne Terminvorgabe): Takt. Raketenkomplex  „LUNA-M”, FlaRak.-Komplexe „KRUG” und „KUB”, PALR-Komplexe Konkurs, Fagott und Metis SFL 2-S-3, Küstenraketenkomplex „RUBESH”, Bewegliche Fü-Stellen der RA-OTR, StBttr. TR, FL-Stellen der Artl.-Abt., Fü.-Komplexe der SFL-Artl., FL-Komplexe der TLA, FuMeßstat. der Artl. SNAR-6 und -10, FuKontrollstat. SRKR-1 und -2, FuMeßstat. P-18, -19, -PRW-13 und -16, div. Mittel des FEK, FuMeßstat. „Kabina-66″,

Bei den beiden re-exportierten Küstenraketenkomplexen “Rubesh” handelte es sich um die 3. und 4. Startrampe der 3. Küstenraketenabteilung. Diese wurden bis zum Übernahmebahnhof Frankfurt/O. angeliefert und nach langem hin und her wieder in die Sowjetunion zurücktransportiert. Da diese Bestellung ein Regierungsabkommen zwischen der DDR und der UdSSR war, musste die deutsche Seite für den Reexport dieser beiden Startrampen Vertragsstrafe zahlen. Für den gemeinen Steuerzahler/-in nicht mehr vermittelbar, aber was waren zu dieser Zeit schon ein paar Millionen mehr oder weniger. Die 1. und 2. Startrampe für die 3. KRA wurden dagegen noch bis zum 30. Juni 1990 in den Bestand des Regimentes aufgenommen und einsatzbereit gemacht.  Die beiden “NEUEN” erhielten die vorläufigen taktischen Nummern 213 und 223, waren also der 2. KRA unterstellt. Die Aufstellung der 3. Küstenraketenabteilung war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorgesehen. Jeder wusste, dass das Ende des KRR-18 bevorstand. Die personelle Besetzung dieser neuen Startrampen war auch nicht mehr möglich. Während unserer Abschlussübung am 10. September 1990 waren mehrere Startrampen teilweise nur mit einem ausgebildeten Besatzungsmitglied in Aktion. Was aber der Tatsache geschuldet ist, dass durch das Erlernen und die Übernahme mehrerer Funktionen auch dies möglich war.

Oberstleutnant a.D. Martin Kunze: “Irgendwo an der Küste Kaliforniens verrosten 5 oder 6 Startrampen des Typs „Rubesh”, ihre Raketen wurden längst zu Tests gestartet. Nur eine Rampe wird noch von Enthusiasten im Dresdner Museum gewartet.”

Militärs aus verschiedenen Ländern beäugten vor Ort die Technik und ließen sich so manches erklären.“  Im Mai 1990 besuchten die in der DDR akkreditierten Militärattachés das KRR-18. Ob dieser Besuch als ein planmäßiger Truppeninfotag zu verstehen war oder eventuell im Zeichen möglicher Technikübernahmen stand, ist heute nicht mehr eindeutig zu klären. Auf jeden Fall war ein reges Interesse zu verspüren. Aber nach dem die BA-Kammern (Bekleidung und Ausrüstung) vieler NVA-Dienststellen geleert waren und deren brauchbarer Inhalt den USA und deren Verbündeten im 1. Golfkrieg zur Verfügung gestellt wurden, begann auch im Küstenraketenregiment der große Materialabschub. Verschiedene Wehrtechnische Dienststellen (WTD) wurden mit den angeforderten Materialien versorgt. Tagein, tagaus fuhren unsere LKW und lieferten, was angefordert wurde.

Die von Oberstleutnant a. D. Martin Kunze bereits erwähnten Startrampen des KRK “Rubesh” und die dazugehörigen Kfz, mit Bestimmung USA werden von Wilhelmshafen aus mit einem RORO-Schiff abtransportiert.

Die Raketen werden vom  Nachkommando des Regiments, auf dem zum Objekt Schwarzenpfost gehörenden Anschlussgleis, auf Güterwagen verladen und mit der Bahn an ihre jeweiligen Bestimmungsorte gebracht. Auch wenn die Gesichter der Männer dabei Freude an der Arbeit ausdrücken, so wissen sie doch, dass sie sich hiermit weiter und endgültig selbst auflösen. Im Nachhinein wurde von viel Spaß in den letzten Tagen der Einheit berichtet. Übermut und gefährliche Begebenheiten sollen vorgekommen sein. Aber auch hier gab es keine größeren Unfälle oder Personenschäden.

Raketen und technische Ausrüstung wurden an die WTD-61, WTD-71, WTD-81 und die WTD-91 des “Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr” (BAAINBw) geliefert.

Zeitschrift Europäische Sicherheit und Technik Dezember 2017, Ausschnitt von Seite 90, das BAAINBw,

Waffentest in den USA, Point Mugu

Was wurde aus der NVA?

Dieser Film dokumentiert die totale Abrüstung und Auflösung der NVA. Alle Rechte liegen bei der “DOKfilm Fernsehproduktion GmbH”, die im Auftrag des rbb Fernsehens diesen Film produziert hat. Die Erstausstrahlung erfolgte am 2. November 2015 spät nach 22 Uhr im Ersten Programm der ARD. Die drei Filmsequenzen, die urheberrechtlich im Privatbesitz von K-P Gödde sind, wurden hier zusammengeschnitten und liegen als kleine Filmprobe vor. Der gesamte Film kann als Mitschnitt beim rbb Fernsehen bestellt und gegen ein Entgelt bezogen werden.

Was aber diesen Film so besonders macht, ist 

  1. das er, wie kein anderer Dokumentarfilm zu diesem Thema überhaupt die gesamte Größenordnung der friedlichen Liquidierung einer ganzen, deutschen Armee veranschaulicht,
  2. das kein ehemaliger NVA-Angehöriger im Film interviewt wird (was ja zu „selbstverständlich” ist), aber dafür die zivilen und militärischen Führungskräfte des MfAV bzw. der Bundeswehr zu Wort kommen, in deren Verantwortung die Auflösung der NVA erfolgte und
  3. das deren Aussagen zum größten Teil genau das Gegenteil ausdrücken, was sie in den Auflösungsjahren 1990-1993 von sich gegeben haben. Kein anderer Film zu dieser Thematik bringt das so deutlich zum Ausdruck.

Kurzum ein sehr kurzweiliger und interessanter Dokumentarfilm zur Auflösung der NVA.