Episode 1 Teil 2

Ideologiefreie Geschichtsdarstellung ?  – Teil 2 –

Ich möchte meine Meinung in diesem 2. Teil jetzt darlegen, ist diese doch ein Synonym für viele solcher und ähnlicher Einstellungsfragen. Die nächste Generation kann so etwas überhaupt nicht mehr nachvollziehen, lebt aber meiner Meinung nach in einer nicht unbedingt besseren eher undurchsichtigeren sowie trügerischen Welt.

Die in Teil 1 dargestellte NVA-Geschichte der damaligen Ausstellung im MHM steht diametral zu meinem eigenen Erleben als langjähriger NVA-Angehöriger. Sie steht nicht für falsche Aussagen, denn es hat die Blücher-Orden gegeben, die Reliefkarte stand im OFZ und ein Dienstgrad Marschall war für den Verteidigungs- bzw. Kriegszustand vorgesehen. Der Widerspruch besteht nicht in der Tatsache eines faktischen Ereignisses, eines Dokumentes oder eines Artefaktes. Es kommt immer darauf an, wie dieses erstens in den Zusammenhang gestellt wird, zweitens welches Ziel damit erreicht werden soll und es dient oft dazu, um alles in irgendeinen Vergleich erscheinen zu lassen, um eindeutig zu fixieren, wer ist Gut und wer ist Böse, wer hat recht und wer ist im Unrecht. Erwarten Sie nun nicht, dass ich hier die neuste deutsche Geschichte aufrolle, um auf diese Frage Antwort zu geben.

Nein, ich zähle mich ganz und gar nicht zu den sogenannten „Wendehälsen“. Um ehrlich zu sein, meinen Kameraden und mir war es, nach einer anfänglichen Enttäuschung unseres Museumsbesuches 1998, in den folgenden Jahren 2001 bis 2004, vollkommen egal, welche Politik in diesem Museum vertreten wurde. Wir wussten von Anfang an, dass es sich um eine Dienststelle der Bundeswehr handelte und die NVA nicht im Mittelpunkt der neueren Militärgeschichte dieser Bundesrepublik steht. Einzig und allein der Zustand unserer Startrampe war anfangs das einzige Kriterium, weshalb wir Geld und Zeit dafür investierten, um diesen für unsere Einstellung nicht haltbaren Istzustand abzustellen. Diese Rampe war, ist und bleibt unser materielles und geistiges Eigentum, egal wer, meint außer uns dafür zuständig seien zu wollen. Ab 2003 kam ein weiterer Gedanke hinzu, der darin bestand, dass es sinnvoll ist diese Startrampe der Öffentlichkeit zu präsentieren und über unser Küstenraketenregiment in diesem Zusammenhang wahrheitsgetreu zu berichten. Dieses wurde aber durch die Museumsführung initiiert, wir haben darum nicht gebettelt. Vieles hing immer mit der jeweiligen Führung des Museums zusammen. Alle Museumsleiter unterstützen uns problemlos und waren daran interessiert, dass wir besonders mit den ab 2004 beginnenden, im zwei Jahresrhythmus stattfindenden, Tagen der offenen Albertstadt unsere ehemalige Kampftechnik präsentierten. Ja, wir erhielten sogar eine Geldprämie für unsere aktive und publikumswirksame Vereinsarbeit in der AG Rubesh.

Außerdem fand damals auch ein wesentlich lebhafteres Vereinsleben statt, an dem wir uns, je nach Möglichkeit auch aktiv beteiligten, denn Dresden liegt nun mal nicht in Ostseenähe. Trotzdem gab es immer wieder Momente, bei denen uns gezeigt wurde, zu welcher „Truppe“ wir gehörten. Der damalige Amtschef des Militärhistorischen Forschungsamtes (MGFA) in Potsdam, Kapitän zur See Dr. Duppler, ließ uns über seinen Stellvertreter wissen, dass wir zu jenem Zeitpunkt (Mai 2001!) gar nicht durch den Verein sanktioniert seien. Recht hat er, denn wir betraten das Museum erstmalig im November 2001 und hatten im Februar einen offiziellen Wartungsvertrag des MHM in der Hand. Dass u. a. das Tragen von NVA-Uniformen nicht erwünscht sei, war eine weitere Forderung, die sich für uns als völlig nicht zutreffend erwies. Ich bestätige hier, dass wir zu keinem Zeitpunkt weder im Museum noch zu irgendwelchen Veteranentreffen NVA-Uniformen getragen haben, warum auch. Wir waren auch nie auf einem Veteranentreffen. Im Nachgang wussten wir, woher dieser Sachverhalt kam. Die Angehörigen der Arbeitsgruppe Militärtechnik, die auch im MHM einige ihrer früheren Fahrzeuge restaurierten, hatten gelegentlich die alten Uniformen angezogen. Wir hatten aber gehört, dass sich einige von ihnen bei Fahrten oder Military-Treffen, zum Beispiel in Torgau, in Uniformen mit und ohne NVA-Technik bewegten. Es sollen nach deren Aussagen auch polnische Militärbegeisterte mit Wehrmachtsfahrzeugen und in SS-Uniformen dort beteiligt gewesen sein. Ja, heutzutage ist so manches unter die Räder gekommen, da erscheint es wahrhaftig absurd gegen ehemalige seriöse NVA-Angehörige anzugehen.

In den Folgejahren begann dann auch der Umbau des gesamten Museumsobjektes in eine völlig neue Museumslandschaft, die bis dahin kein deutsches Museum in dieser Größenordnung je vollzogen hat. Als nun auch gewähltes Mitglied des Präsidiums des Fördervereins bekam ich tieferen Einblick in die Pläne, wie das militärhistorische Museum sich in Zukunft präsentieren sollte.Und dieses Konzept, welches durch das beauftragte Architektenbüro Daniel Libeskind (ADL) und der für die museale Gestaltung zuständige Projektgruppe in der Bürogemeinschaft Merz-Holzer-Kobler (MHK) entwickelt wurde, war auf einmal spürbar ideologiefreier als seine Vorgängerkonzeptionen. Die Gewalt und bewaffnete Konflikte sowie deren Geschichte, Darstellung und besonders deren katastrophale Folgen standen auf einmal im Zentrum des Betrachtens und der Wissensvermittlung. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen der Mensch und die Frage nach den Ursachen und Folgen von Krieg und Gewalt. Und das fand auf jeden Fall auch meine Zustimmung als die plumpe Geschichtsklitterung der damaligen Dauer- und Interimsausstellungen. Um es gleich vorwegzunehmen, haben wir mit Fertigstellung des neuen Militärmuseums als Fördervereinsmitglieder intern sehr viel bewegt. Viele unserer ehemaligen Kameraden informierten wir über die doch nun interessante Dauerausstellung und die vielen, zu unterschiedlichsten Themen, veranstalteten Sonderausstellungen. Sogar zu zwei größeren Absolvententreffen lud ich mit Vergnügen nach Dresden ein und führte meine Kameraden auch persönlich dorthin.Auch die organisierten Führungen durch das Museum wurden durch alle Teilnehmer hochgelobt, weil diese durch Studenten der Geschichte oder durch versierte Museumsangestellte durchgeführt wurden. Nun aber zurück in das Jahr 2004. Da der Museumsbetrieb während der siebenjährigen Umbauzeit nicht eingestellt werden sollte, hatte man sich für die schon erwähnte Interimsausstellung entschieden, die zwar das gleiche Hauptthema der Gegenüberstellung der NVA und der Bundeswehr zum Inhalt hatte, aber schon viel mehr ideologiefreier gestaltet wurde als jene Ausstellung Ende der 90er Jahre. Offensichtlich war ich nicht der Einzige, dem diese geschichtliche Fehldarstellung aufgefallen war.

Hier standen sich nun mehrheitlich die Waffensysteme und die geschichtlichen Ereignisse gegenüber mit den dazugehörigen, mehr oder weniger sachlicheren Erklärungen. Zwar konnte jeder noch den „alleinigen Friedenscharakter“ der Bundeswehr gegenüber der NVA erkennen, aber die Gut-Böse-Zuspitzung war schon sichtlich entkrampfter. Heute spricht schon die Mehrheit der Bundesbürger Deutschlands nicht mehr von einer angeblich friedlichen Mission der Bundeswehr.

So kamen in den Folgejahren bis ins Jahr 2014 hinein vier wichtige Bedingungen zusammen, die eine zumindest nützlich Symbiose zwischen dem Auftraggeber, dem MHM, und unserer Arbeitsgruppe herstellte:

  1. Wir waren im Museum respektiert und zu besonderen Anlässen gefragt.
  2. Wir wurden durch das Museum in jeder Beziehung unterstützt und sichergestellt.
  3. Es fand ein aktives und interessantes Vereinsleben im Förderverein statt.
  4. Die grundsätzliche Ausrichtung des neuen Museums widersprach nicht unseren persönlichen Anschauungen und der gelebten Praxis während unserer Wartungseinsätze und Präsentationen an den Tagen der offenen Albertstadt, insbesondere was das Verhältnis zu uns als ehemalige NVA-Angehörige betraf.

Ab Jahr 2015/16 kam es zu einem gewissen Stillstand, weil:

  1. unser Ansprechpartner und Cheforganisator im Museum, Volkmar Stimpel, zum Jahresanfang 2015 in Rente gegangen war und sich aufgrund der neuen Personalstruktur im Museum keiner mehr so richtig für uns zuständig fühlte.
  2. wir den Eindruck hatten, dass mit der Umbenennung des Museumsleiters in einen Direktor Ereignisse folgten, die den Eindruck erweckten, dass die Museumsführung sich in einer anderen Sphäre wähnte, welche für uns nicht mehr erreich- und fassbar erschien. Es wurde viel versprochen, aber nichts gehalten. Der damalige Museumsdirektor Privatdozent Prof. Dr. Oberst Matthias Rogg, von Haus aus ein promovierter Militärhistoriker, schwebte in einer Welt, in der sich für uns ein kurzes Telefonat als schier unlösbarer Vorgang entpuppte.
  3. 2017 wieder ein Führungswechsel, der Vierte nun, vollzogen wurde. Wieder vergehen Monate der Einarbeitung in diese Position und jeder neue Chef setzt eben mal andere Akzente. Strukturen werden geändert, alte Posten werden gestrichen, neue kommen dazu, das was vorher wichtig war, ist nun nebensächlich, neue Felder werden bestellt und alte bewährte Dinge werden auf Eis gelegt.
  4. wir als Außenseiter und “nur einfache Fördervereinsmitglieder“ nicht immer verstehen müssen, was so intern in diesem einzigartigen militärhistorischen Leitmuseum vonstattengeht.

Quelle: ARD-Tagesschau vom 14.10.2011

Beitrag und Bilder: K-P. Gödde