Strukturelle und technische Entwicklung der Küstenraketentruppen

Strukturelle und technische Entwicklung der Küstenraketentruppen

Die Entwicklung der Raketentechnik konzentrierte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts schwerpunktmäßig auf Deutschland mit dem auf diesem Gebiet führenden Wissenschaftler Hermann Oberth, die USA mit Robert Goddard und die Sowjetunion mit der wissenschaftlichen Gruppe „GIRD“. Der erste Start einer Flüssigkeitsrakete in Europa erfolgte 1931 durch den deutschen Wissenschaftler Johannes Winkler. Im 2. Weltkrieg wurde die Entwicklung von Raketen vor allem in Deutschland als sogenannte „Vergeltungswaffen“ („V“) wesentlich forciert. Dazu wurde die „Heeresversuchsanstalt“ in Peenemünde auf der Insel Usedom gebaut, die die gesamte Planung und Organisation bezüglich der Entwicklung und Produktion der Raketentechnik leitete. Hier erfolgte auch im Dezember 1942 der erste Start einer Flügelrakete, des ersten Marschflugkörpers der Welt, der „V 1“ „Fi-103“, entwickelt durch die Firma Fieseler. Da diese Rakete über kein Starttriebwerk verfügte, benötigte sie für ihren Start eine Startrampe von 48 m Länge mit einer Steigung von 6 m. Später erfolgte ihr Start auch von Flugzeugen des Typs „He-111 H-22“. Ihre Geschwindigkeit von 576 km/h und die Dienstgipfelhöhe 3000 m ermöglichten jedoch eine erfolgreiche Abwehr durch modernste Jagdflugzeuge, Flak und Fesselballons sowie die Vorwarnung. Im Oktober 1942 wurde in Peenemünde die weltweit erste ballistische, gesteuerte und flugstabilisierte Rakete „V 2“ „Aggregat 4“, abgekürzt „A 4“, gestartet. Sie war die erste Rakete, die in den Weltraum flog. Entwickelt wurde sie von  Wissenschaftlern unter der Leitung von “Wernher von Braun”.Die beiden Raketen „V 1“ und „V 2“ können wir aus technischer Sicht als Prototypen aller modernen Flugkörper, Flügelraketen und Raketen betrachten. So waren zum Beispiel die ersten ballistischen Raketen der USA, die „Redstone“, und der Sowjetunion, die „R-1“, Kopien der „V 2“.

Bereits kurz vor dem Ende des Krieges in Europa hatte das Wettrennen um das „Know how“ bezüglich der deutschen „Vergeltungswaffen“ und anderer Rüstungstechnik Deutschlands begonnen. Dabei ging es nicht nur um Dokumente und Technik, sondern um die führenden Wissenschaftler, Ingenieure, Facharbeiter, ja sogar um das Bedienungspersonal. Dazu führten die amerikanischen Streitkräfte die Operation „Overcast“ und anschließend „ Paperclip“ durch. Insgesamt wurden dabei riesige Mengen an Dokumentation, Technik und Leuten sichergestellt und in die USA überführt. Das betraf ungefähr 1000 deutsche Staatsangehörige, von denen die meisten später die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielten. Mit diesem Potenzial wurde unter der Leitung der Wissenschaftler Wernher von Braun und Walter Dornberger die amerikanische Raketenrüstungsindustrie und die NASA aufgebaut. So wurde aus der „V 2“ die erste amerikanische ballistische Mittelstreckenrakete „Redstone“ entwickelt, die ab 1953, ausgerüstet mit einem Atomsprengkopf, in die Bewaffnung der US-Army übernommen wurde. Auch die Sowjetunion hatte sich an der Sicherstellung von Dokumenten, Technik und Personal der Rüstungsindustrie des besiegten Deutschland beteiligt. Schwerpunkt war dabei die Raketentechnik und die Atombombe.

Das sowjetische Bombenflugzeug „Tu-4“ mit 2 Raketen „Kometa“

Auf persönlichen Befehl J. W. Stalins wurden 1948 in der Seekriegsflotte der Sowjetunion die neuen Waffengattungen Marinefliegerkräfte (MFK) sowie Küstenraketen- und Artillerietruppen (KRAT) geschaffen. Bereits vor und während des 2. Weltkrieges gab es in der sowjetischen Seekriegsflotte die Waffengattung Küstenartillerietruppen, jetzt kam die Raketenbewaffnung dazu. Unmittelbar nach dem Krieg begann die sowjetische Rüstungsindustrie, ihre schon vor dem Krieg begonnenen Arbeiten zur Entwicklung von Flügelraketen fortzuführen. So entstand neben anderen die Flügelrakete „Kometa“, die als Antischiffrakete von einem Trägerflugzeug eingesetzt wurde. Sie war aus dem berühmten sowjetischen Jagdflugzeug „MiG-15“ (NATO: FAGOT) entwickelt worden, mit geringeren Abmessungen, stärkerer Pfeilung der Tragflächen und natürlich ohne Piloten. Die Einführung in die Bewaffnung erfolgte 1953. Parallel dazu wurde an Varianten zur Bewaffnung der sowjetischen Kriegsschiffe und für die Küstenverteidigung gearbeitet. Das Ergebnis war 1957 die Flügelrakete „Strela“.  Wenig später, im Jahr 1958, wurde die mobile Variante, der weltweit erste Küstenraketenkomplex „4-K-87“ „Sopka“ mit der Rakete „S-2“ (NATO: SAMLET) in die sowjetische Seekriegsflotte eingeführt.

Start der Rakete S-2, Modell von “WM”

Beitrag: LS