Gefechtsdienst, Gefechtsbereitschaft

Wie in vielen Erinnerungen von ehemaligen Angehörigen der NVA und in zahlreichen Publikationen veröffentlicht, wurde auch im Küstenraketenregiment-18 der tägliche Dienst am stärksten belastet durch die hohen Forderungen der „Ständigen Gefechtsbereitschaft“, die Gewährleistung des Gefechtsdienstes und die regelmäßigen Trainings zum Übergang auf höhere Stufen der Gefechtsbereitschaft. Durchgeführt wurden diese Trainings insbesondere an den bereits erwähnten „Tagen der Gefechtsbereitschaft“ einmal monatlich. Dabei wurde vor allem die Überführung der Kräfte in die Stufe EGtrainiert, zu der u.a. gehörte:
– Alarmierung aller Armeeangehörigen des Truppenteils.
– Herstellen der Arbeitsbereitschaft des Stabes und der Nachrichtenkräfte.
– Herstellen der Bereitschaft zur Überführung von Raketen in die Bereitschaftsstufe 1.
– Klarmachen zum Entfalten des Gefechtsdienstes und der Kolonnen.

Im Küstenraketenregiment 18 wurden zu diesen Tagen nach Vorgabe des Kommandeurs im Stab die entsprechenden Pläne erarbeitet, Kontrollgruppen festgelegt und eingewiesen. Diese hatten bei Alarmierung schwerpunktmäßig die Arbeit des Personalbestandes zu überprüfen und einzuschätzen. Neben der Einhaltung der Normzeiten ging es vorrangig um die Erfassung von Schwachstellen und Problemen. Nach anfänglich notwendigen, sehr umfangreichen Auswertungen, verbesserten sich in der Folgezeit Schritt für Schritt die Handlungen des Personalbestandes. In Anbetracht des hohen Anteils von Soldaten im Grundwehrdienst mit nur 15 Monaten Dienstzeit im Regiment wiederholten sich aber häufig die gleichen Fehler. Die „Neuen“ waren gerade zu versetzt worden und kannten die Abläufe daher nur oberflächlich. Dieses Problem mussten wir auch bei der Gestaltung der Gefechtsausbildung ständig beachten. Somit konzentrierten sich unsere Trainingspläne schwerpunktmäßig auf den halbjährlichen Ab- und Zuversetzungsrhythmus der Soldaten im Grundwehrdienst.
Außerdem wurde jedoch der Stand der Gefechtsbereitschaft zusätzlich durch häufige Inspektionen, Kontrollen, Übungen u.a. bewertet. Dadurch waren nicht nur die Ausbildung, sondern die gesamte militärische Tätigkeit im Regiment und insbesondere das Privatleben der Berufssoldaten besonders stark belastet.

Die Startrampen des KRR-18 verlassen das Objekt zum Einsatz.

Als Beispiel für den Ablauf einer solchen Überprüfung der Gefechtsbereitschaft berichtet Lothar Schmidt über die erste Überprüfung der Gefechtsbereitschaft des Küstenraketenregiments-18 „Hanse 83“. Entsprechend der für die NVA befohlenen „Ständigen Gefechtsbereitschaft“ hatten ständig 85 % des Personalbestandes bei Auslösung einer höheren Stufe der Gefechtsbereitschaft anwesend zu sein, unabhängig von Krankheit, Urlaub oder Kommandierung. Es war die wichtigste Aufgabe jedes Vorgesetzten, diese Anwesenheit zu gewährleisten, auch am Wochenende und an Feiertagen. Diese außerordentlich hohen Forderungen der Gefechtsbereitschaft, die wir persönlich alle als notwendig und damit als selbstverständlich ansahen, erforderten vor allem von den Familien der Berufssoldaten aufgrund der hohen Belastungen und der damit verbundenen Entbehrungen viel Verständnis. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass wir im Regiment immer nach Möglichkeiten suchten, um diese komplizierten Bedingungen etwas aufzulockern, ohne dabei die Normen der Gefechtsbereitschaft in Frage zu stellen. Obwohl wir in Gelbensande, Rövershagen und Ribnitz-Damgarten nur etwa 10 km vom Ostseestrand entfernt wohnten, konnten wir diesen im Sommer nur selten nutzen. Für alle galt jederzeit, außer während des Urlaubs, die Norm: Verlassen des Objekts für den Gefechtsdienst nach 30 und für alle Anderen nach 60 Minuten. Zu den genannten Zeiten mussten alle nicht nur persönlich marschbereit sein, sondern die meisten Berufssoldaten hatten sich auch noch um ihre Unterstellten und natürlich die Technik zu kümmern. Schließlich kam zu diesem Problem aus den Reihen des Stabes ein Vorschlag, der in der Führung des Regiments diskutiert und nach eingehender Prüfung vom Kommandeur genehmigt wurde. Und so zogen dann ab Sommer 1984 sonntags, zu dieser Zeit wurde sonnabends noch gearbeitet, die Familien der Berufssoldaten mit Kind und Kegel mit Ihren Privatautos an den Ostseestrand von Graal-Müritz. Dafür wurde jedes Mal vorher ein Verantwortlicher und dessen Aufenthaltsort am Strand festgelegt. Alle Anderen lagerten in der Nähe.
Für die Alarmierung wurde ein UKW-Gerät vom Typ „UFT-435“ mitgeführt, wir erinnern daran, dass es ja noch keine Mobiltelefone (Handy) gab. Die Urlauber in Graal- Müritz staunten nicht schlecht, als dort eine Gruppe von Familien anrückte, an einen Blechkasten mit vielen Knöpfen und den ungefähren Maßen 40x22x11 cm eine 4 m hohe Peitschenantenne montierte und über Sprechfunk, natürlich unter Verwendung von Decknamen, mit dem OP- Dienst des Regiments eine Verbindungsaufnahme durchführte. Danach wurde das übliche Strandleben entfaltet. Jeder ankommende und abfahrende „Strandurlauber“ des KRR-18 meldete sich bei dem Verantwortlichen, meistens der Stabschef, an bzw. ab. Das UKW-Gerät bediente oft Kapitänleutnant R. Jähnig. Dieses System wurde von vielen Familien genutzt und es traten dabei nie Probleme auf.

Besonders hohe Anforderungen bezüglich der Gefechtsbereitschaft wurden an die Führung des KRR-18 gestellt. Entweder der Kommandeur oder ich als Stabschef, das waren 4 lange Jahre gemeinsam unser Herausgeber L. Schmidt und ich, hatten ständig telefonisch erreichbar zu sein und das wurde zwischen uns ständig abgestimmt. Da alle Telefone noch an Drähten hingen und demzufolge in den Wohnungen installiert waren, bedeutete das für die Freizeit, sich immer in deren Nähe aufzuhalten. Wollte eine der genannten Personen die Wohnung verlassen, vielleicht in den Garten, so musste er für sich selbst eine Benachrichtigung, oft die Frau oder auch die Kinder, organisieren. Krank werden durfte man bei diesem System nicht, denn dann ergaben sich für den Anderen ernsthafte Probleme.

Unser Autor L. Schmidt nutzte als Regimentskommandeur ebenfalls die Vorteile des „UFT-435“, um mal einen Sonntag in seinem Wochenendhaus am Teterower See zu verbringen. Auch in diesem Fall war die Alarmierung jederzeit gewährleistet. Die hier geschilderten beiden Beispiele für mögliche und durch uns auch realisierte Erleichterungen der Dienst- und Lebensbedingungen unserer Berufssoldaten waren aber absolute Ausnahmeregelungen. Außerdem wusste ich, dass der Regimentskommandeur in solchen Fällen seinen Vorgesetzten nicht immer um Genehmigung fragte, sondern das auf seine Kappe nahm. Er wusste, dass die Antwort auf derartige Anfragen meistens „Nein“ gelautet hätte, weil sie am einfachsten war. Bei passender Gelegenheit, Berichterstattung u.a., baute er allerdings dann die Information darüber beiläufig mit ein. So konnte er bei einer diesbezüglichen Nachfrage seinem Vorgesetzten antworten, dass er ihn darüber informiert habe, was dieser bestätigte.

Erwähnen möchte ich noch, dass die in Folge der hohen Gefechtsbereitschaft herrschenden schwierigen Zustände für das gesamte Personal zu einer besonders ausgebildeten Kameradschaft im Regiment führten. Jeder war immer bereit dem Anderen zu helfen und auch alle Kommandeure handelten bei schwierigen Lagen, wie z.B. der Teilnahme eines ihrer Unterstellten an einer Familienfeier oder der Lösung einer komplizierten Situation in der Familie, ausnahmslos einsichtig und unterstützten den betreffenden Armeeangehörigen. Dazu trug noch wesentlich bei, dass wir alle unter den gleichen Bedingungen in einem Wohngebiet wohnten, die überwiegende Mehrzahl in Gelbensande, ein Teil in Rövershagen, einer in einem Wohnblock am Objekt und später kam noch Ribnitz-Damgarten dazu.

Während im KRR-18 planmäßig Elemente der Gefechtsbereitschaft trainiert wurden, waren Überprüfungen, Übungen oder Trainings in Verantwortung des Stabes der VM immer mit überraschender Alarmauslösung verbunden, das heißt, ohne vorherige Information. Die durchzuführenden Handlungen waren dabei mit zwei Ausnahmen identisch mit den Inhalten unserer Trainings. Letztere beinhalteten Mobilmachungsaufgaben und die Besetzung des Führungspunktes des Chefs der KRT auf dem HGS des STMCVM.

Das mobile Stabs- Kfz „LO-1800“ („Schmetterling“) des Führungspunkts des Kommandeurs des KRR-18